Halt mal ! (Ein Exkurs über Rigidität und Selbstliebe)

Ich war acht, als mich ein Junge beim Handball auf die Seite zog. Entweder sollte ich wohl mehr am Spiel teilnehmen oder nicht so verträumt im Weg rumstehen. In jedem Fall vermittelte mir der andere, daß ich da nicht so richtig reinpasse. Irgendwie hat sich dieses Grundgefühl – was konventionelle Sportarten betrifft – bei mir gehalten. Welcher Sport passt zu mir ? Später bin ich dann – mit einem kleinen Ausflug übers Reiten – zum Aikido (einer japanischen Kampfkunst) gewechselt. Vielleicht wie ich irgendwann vom Christentum zum Buddhismus gewechselt bin, nur um festzustellen, daß ich da auch nicht so richtig reinpasse (aus beiden Kirchen bin ich inzwischen wieder ausgetreten). Ständig versuche ich mich anzupassen. Besonders kompliziert scheint das bei Systemen, die in sich so geschlossen scheinen, wie die westlich zielfixierte Art Sport zu betreiben. Oder in der durchaus mal strenge Züge zeigende buddhistische Philosophie. Etwas preußisch enges, fast schon rigides, habe ich auch von zu Hause mitbekommen: “Du machst, was ich sage”, oder “das gehört so”, oder “erst die Arbeit, dann das Vergnügen” undsoweiter. Das waren die 60er Jahre. Ich bin ein Kind dieser Zeit und mein nichts desto trotz geliebter Vater war ein sehr korrekter Beamter.

Entkommen

Seit dieser Zeit versuche ich der Rigidität zu entkommen. Aber wenn mal kein “Regelwerk” greifbar ist – so wie in der Pandemie, als viele Strukturen zerbrachen ( https://www.art-in-skoda.de/2022/03/02/mir-ist-die-unsicherheit-weggebrochen/), da komme ich ganz schön ins Schleudern. Ich erfinde dann “Ersatz”-Regelwerke. Genaue, manchmal minutenhaft getaktete Abläufe, die meinen Tag regeln. Das hat zeitweise etwas manische Züge, aber kurzfristig hilft es durchaus. Ob das allerdings etwas mit wirklicher Selbstliebe zu tun hat, steht auf einem anderen Blatt. Um wirklich Teil einer Gruppe oder eines Systems werden zu können, darf ich mich – um einer scheinbaren Sicherheit willen – nicht mehr so verbiegen. Das habe ich inzwischen gelernt. Ich darf mir (ja ich muß mir um des persönlichen Glücks wegen) erlauben, mehr “ich” zu sein. Nur durch die Verweigerung des Eingeübten komme ich an meinen Wesenskern. Und den dann auszudrücken, das macht dann Freude (und Freunde) ! Bis es dazu kommen kann bin ich allerdings zeitweise alleine. Vielleicht werde ich dadurch aber auch Teil einer neuen Gruppe, aber das kann dauern.

Autoritär hat Konjunktur

Was tun wir uns durch dieses “Militärische” eigentlich an ? Und warum hat das gerade wieder so Konjunktur ? Weiß schon…der Krieg…die Aufrüstung…die Sicherheit. Aber das ist es gar nicht, worum es mir hier geht. Vielleicht geht es ja anderen ähnlich wie mir. Hallo ? Ist da jemand ? Ich habe mal gelesen, daß Pigmentstörungen der menschlichen Hautoberfläche, die sogenannte “Weißfleckenkrankheit”, unter der ich (nicht allzu sehr) auch leide, Menschen betrifft, die sich ausgeschlossen fühlen. Wieviele “Gruppen” im Leben, kann man eigentlich finden ? Wer immer nur versucht zu einer Gruppe zu gehören, und die alte Gruppe nur durch eine neue Gruppe ersetzt ohne etwas an dem Prinzip des Außenseitertums zu ändern, der wird nie dazu gehören, der wird auch nie richtig glücklich mit einer Gruppe. Wenn ich mich selbst in meinen Bedürfnissen nicht annehme, dann bin ich auch unsichtbar für die Anderen.

Sichtbar werden

Ich werde erst sichtbar, wenn ich mich öffne. Sonst bleibe ich Spielball der anderen. Sonst werde ich nur geliebt, wenn ich zufällig in deren Schemata passe und sie in ihrer Friedhofsruhe nicht störe. Das ist aber kein Leben ! Das ist Dressur. – Ich habe im vergangenen Jahr gewagt, ein mündiger Mensch zu sein. Ich habe den Mund aufgemacht und habe gesagt, was mich stört. Vielleicht bleibe ich dafür am Rand (den ich nicht gehalten habe). Aber ich halte meistens, was ich verspreche. Ich verspreche nur, was ich auch halten kann. Aber ich fände es unhaltbar, wenn sich alle immer nur an den anderen orientieren und keine eigene Haltung entwickeln. Vielleicht ist meine Haltung eine beobachtende.

Im Spiegel

Vielleicht kann ich für andere ein Spiegel sein. Vielleicht mögen die Leute nicht, was sie in diesem Spiegel erblicken. – Ich bin kein Kampfsportler. Vielleicht bin ich nicht einmal ein Kämpfer. Ich glaube an den sanften Weg der friedfertigen Ausstrahlung. Wenn ich mit mir und meinem Körper im Frieden bin, erübrigt sich jeder Kampf. Selbstliebe nennt man das wohl.

Bild einer covid-19 Teststation (Container)

Nacktschnecken und Regelwut

Früher war ein “Test” in der Schule etwas, wovor man Angst hatte. Aber aus anderen Gründen. Weil man mit dem Stoff-Lernen nicht hinterher gekommen war. Weil man seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte. Weil Mathe einfach doof ist. Oder Deutsch. Oder Bio. Wenn ich mir heute vorstelle, ein Jugendlicher, oder eine Jugendliche, sagt zu ihren Eltern: Ihr, ich habe heute einen Test in der Schule, dann muss man erst einmal nachfragen, was gemeint ist. Obwohl – noch so ein Paradoxon – die Schüler:in geht vielleicht sogar gerne zur Schule und ist froh, dass es diese Tests gibt. Weil – danach kann man endlich seine Freunde treffen.

Mittlerweile stehen ja überall diese Testzentren. Wenn ich vor gut einem Jahr jemanden gesagt hätte, Du, ich gehe jetzt einen Kaffee trinken, kommst Du mit ? Dann lautet heute die Antwort: gerne, in welches Testzentrum ? Die Bedienungen, die mich früher abkassiert haben, popeln mir heute in der Nase herum. Meinen Kaffee trinke ich im Anschluss lieber woanders. Im Mehrwegbecher im Stehen, oder auf der Parkbank. Ja, ja, sie haben uns gewarnt. Jetzt kommen bald überall diese “Corona-Komödien”. Und auch dieser Text ist nicht frei von Ironie oder Satire. Wenn es denn etwas zu lachen gibt. Also für mich, ich kann hier nur für mich sprechen. Meistens ist mir dieser Tage nicht so zum Lachen zu Mute.

Deutsche Variante

Zuviel ist passiert. Oder eben nicht passiert. Zum Beispiel das Impfen. Das ist eher nicht passiert. Soll schon noch kommen, hört man. Bis zum Sommer. Oder im Sommer. Oder gegen Ende des Sommers. Der Frühling ist in diesem Jahr natürlich auch nicht passiert. Bis auf zwei Tage im Februar. Und Pfingstmontag. Der war auch ganz schön. Wir haben dann gleich einen Ausflug gemacht, nach dem Motto “Das war der Sommer 2021”. Weil: das mit dem Urlaub steht ja auch schon wieder auf der Kippe. Nicht auf der Kippe steht das Rauchen. Ich zünde mir jetzt ab und an mal wieder eine an: auf dem Balkon. Bleibt ja nicht so viel an Vergnügen. Und irgendwo lag da noch ein Päckchen Tabak herum. Vom letzten Sommer. Der auch schon nicht passiert war. Ich will nicht jammern. Und auch nicht meckern. Es gibt nichts zu jammern. Ich bekomme mein Geld. In Indien grassiert die “indische Variante”. Hier in Deutschland: das deutsche Original: Die Bürokratie, die Phantasielosigkeit, die Regelwut, die deutsche Gründlichkeit. Als könne man das Virus durch Vorschriften einhegen. Eigentlich auch wieder ein lustiger Gedanke: Vielleicht zieht sich das Virus irgendwann aus Angst vor Paragraphen von selbst zurück. Wär schön.

Die Masken fallen

Eine große Schnecken-Skulptur aus Mosaik-Steinen auf einer Mauer um ein antroposophisch aussehendes Haus. Plus zwei Mosaik-Pilze. Auch auf der Mauer.
Die deutsche Schnecke

Neulich hatte ich einen Gedanken: das Virus lässt uns alle nackt voreinander dastehen. Es ist der große “Wahrmacher”. Alles, was nicht aus Liebe besteht, sägt es um. Wenn wir also am Ende der Pandemie (und es naht, das Ende !), nicht nackig voreinander stehen, dann haben wir etwas falsch gemacht. Dann sind wir nur wieder in die alten Angstbewältigungsstrategien zurück gekehrt. Dann hat sich jede/r wieder nur in seine eigene, kleine Kapsel zurück gezogen. Von wo aus er oder sie den oder die andere(n) mit Matsch bewirft. Oder eben leider nicht. Netflix ist einfach zu verlockend. Mir gefällt dieses Bild: Eine Gruppe von Entscheider:innen in einem meeting: alle nackt. Und alle sagen sich mal, was sie wirklich voneinander halten. Es wäre doch schön, sich mal wieder richtig zu streiten. So in echt, jetzt. Welche Gruppe das überlebt, die würde dann ehrlich innovativ. Das, glaube ich, möchte das Virus von uns. Wir können es ja mal testen.

Buddhismus gleich glücklich ?

zum Glück gibts immernoch Nutella
Buddhismus. Hier hören.

Mich macht noch nicht mal der Buddhismus glücklich ! Das muss man erst mal hinkriegen ! Ein bisschen weiß ich schon, wovon ich rede: Ehrlich, ich hab`s probiert, mehrere Jahre lang. Also ist entweder an mir was falsch oder am Buddhismus. Letzteres kommt irgendwie nicht in Frage, denn am Buddhismus kann man nicht zweifeln. Wenn es eine Religion gibt, die das Zeug hat, Menschen glücklich zu machen, weil es mehr eine Philosophie ist, die sich mit der Beschaffenheit und Wirkweise des menschlichen Geistes beschäftigt, denn eine Religion, dann ist es der Buddhismus. Außerdem ist sie ja schon ziemlich alt und erprobt.

Kulturelle Prägung

Also muss es irgendwie an mir liegen, oder ? Jede Art von Abhängigkeit – und sei es von einem Glauben – das passt nicht zu mir. Da habe ich irgendwie einen zu dollen Freiheitsdrang. Oder den Drang unabhängig zu sein. Oder Kontrollzwang, meinetwegen. Auch selber denken finde ich gut. Ich kann mich gut anpassen, zumindest eine Zeit lang. Aber dann bricht es durch. Mir fällt es schwer, nach zuplappern, was andere für mich mundgerecht hingelegt haben. Auch kann ich mich schlecht geistig dauerhaft in eine Kultur fallen lassen, die nicht meinem Kulturkreis entspringt. Und der Buddhismus entspringt nicht meiner Kultur; zumindest nicht der, mit der ich aufgewachsen bin und die mich geprägt hat.

Higher Self(ish)

Seit einiger Zeit bin ich auch dabei selber zu ergründen, was es mit dem “höheren Selbst” auf sich hat. Versuche, einen eigenen Weg finden. Ein bisschen anmaßend vielleicht, aber auch spannend. Manchmal mache ich das durch Meditation, manchmal durch schreiben von Texten, aber vor allem nach wie vor durch Kunst schaffen. In meinem Fall darstellende Kunst.

Nutella

Und zum Glück gibt es ja noch Nutella. Für die ganz harten Tage.

Ein Kürbiskernbrötchen mit seltsamer Form

Corona oder Flaute ?

Beitrag hier anhören…oder…
Corona oder nicht gefragt-Podcast-Beitrag
… lieber lesen:

Hallo ! Das kennt doch jeder und jede Schauspieler*in: da sitzt man zu Hause und das Telefon klingelt…nicht. In den ersten Wochen des Lock-Downs kam mir das auch noch irgendwie normal vor. Ist ja klar: da wird gar nicht gedreht, die Theater, die Sommerfestspiele, alle machen: nichts. Dürfen nichts machen.

In der Schwebe

Jetzt, nachdem ich mich halbwegs an diesen seltsamen Schwebe-Zustand gewöhnt habe, nicht mehr ausgehe, auch sonst ziemlich viel herumhänge, also quasi auf Steuerzahlerkosten, denn ich beziehe Kurzarbeitergeld. Halt ! Stop ! Kurzarbeitergeld ? Ja, die Theater zahlen neuerdings auch Kurzarbeitergeld. Ist das nicht irre ? Während ich da also so Kurzarbeitergeld beziehe und spare, da ich zu wenig Gelegenheit habe, es auszugeben, da stelle ich fest, dass das Telefon noch immer nicht klingelt. Also, nur um das klar zu stellen: Ich habe kein schlechtes Gewissen wegen des Kurzarbeitergeldes, nur ein bisschen. Aber bin ich nicht schließlich auch Steuerzahler ? Außerdem, so wie mir geht es vermutlich Tausenden gerade, wahrscheinlich sogar Millionen. Alle bekommen Kurzarbeitergeld. Da kann man auch mal danke sagen. Aber es ist so still hier…

War ich gut ?

Aber so langsam fange ich schon an, mir wieder die alten Fragen zu stellen. Es ist ja schließlich so: Es gibt ja dennoch die, die drehen. Die, die arbeiten. Trotz Corona. Also die, die auf facebook oder noch mehr auf instagram posten: hashtag #Dreharbeiten, oder so. Und man fragt sich: wie schaffen die das ? Was läuft da anders ? Liegt es vielleicht doch an mir ? Und das ist die vermutlich tödlichste Frage, die man sich als Schauspieler*in stellen kann. Noch tödlicher als: war ich gut ? “Liegt es an mir ?” hat das Potential zur Selbstvernichtung. Denn meistens liegt esnicht an mir. Es geht nämlich eher um die drei üblichen Verdächtigen: Glück, Zufall und: zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, was ungefähr das gleiche ist wie Glück und Zufall. Natürlich muss man vorher seine Hausaufgaben gemacht haben. Also z.B. die Datenbanken mit seinen Profilen und guten Fotos gefüttert haben. Und dann sollte man sich natürlich auch bewerben und an Vorsprechen und Castings teilnehmen. “Liegt es an mir” lähmt.

Ein Jahr (es geht voran)

Also mittlerweile, es ist vier oder mehr Wochen später, hat das Telefon geklingelt. Ich bin angerufen worden. Besser gesagt, ich habe eine e-mail bekommen, denn wer telefoniert denn noch (nicht mal auf dieses Klischee ist noch Verlaß) ? Aber egal ob Telefon oder Mail: ich habe einen Job. Ich habe einen Job !! Ich kann es nicht fassen. Dennoch beginnen hier die Hindernisse erst recht. Kann ich einen Job annehmen, obwohl ich bei einem anderen Arbeitgeber Kurzarbeitergeld beziehe ? Und wenn ja, wird mir die Gage auf das Kurzarbeitergeld angerechnet ? Und wie arbeitet man unter Coronabedingungen an einem Filmset ? Geht das überhaupt. Die Antwort ist: es geht. Mit Quarantäne im Vorfeld, Abschottung während des Drehs und ständigem testen lassen müssen. Jeder Drehtag beginnt mit einem PCR-Test ! Das waren noch Zeiten.

Frau an Kreuzung am Prenzlauer Berg

Nur in Berlin

“Nur in Berlin” hören
“Nur in Berlin” lesen:

Nur in Berlin kann ich in einem Moment mehr erleben, als in ihn hineinpasst. Ich stehe an einer Kreuzung im Trubel. Trotz Rotphase. Kann nur kurz um mich blicken, und erlebe doch viel mehr als ich verarbeiten kann. Eine Frau in weißem Hosenanzug. Ist das noch Berlin ? Oder schon New York ? Der Lärm ist manchmal unerträglich und dauernd diese Sirenen. Und die Straßenbahn ? Achtung – noch schnell mit dem Fahrrad über die Kreuzung, bevor die Autos grünes Licht bekommen ! Und beinahe eine Kollision. Aber nein, die sind geübt hier…