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Ja zu Theatersubventionen – aber richtig !

“Guten Tag, meine Name ist Martin Skoda, ich bin Schauspieler von Beruf…”. So, oder so ähnlich beginnt oft meine Selbstvorstellung bei einem selbstaufgenommenen Casting-Band. (“e-casting” oder auch “selftape” genannt). Ja, ich bin Schauspieler. Es war und ist mein Wunschberuf und obwohl ich weitere Talente und Neigungen habe, ist dies der einzige Beruf, zu welchem ich mich habe ausbilden lassen. Wenn ich mich z.B. für einen TV-Werbespot casten lasse, dann muss ich, so ist es üblich, den “erlernten Beruf” im Bewerbungsformular mit angegeben. Für eine Werbung werden auch Menschen gecastet, die nie eine Schauspielschule von innen gesehen haben. Ich hingegen habe das. Ich war von 1988 bis 1992 stolzer Student auf einer der damals renomiertesten Schauspielschulen Deutschlands, der “Westfälischen Schauspielschule Bochum”. Neben der “Ernst-Busch-Schule” als Ost-Schule galt die Westfälische Schauspielschule Bochum zur Zeit vor der Wiedervereinigung als das Institut im Westen. Es brachte viele Kolleg:Innen und Kollegen hervor, die heute noch immer im Theater, Film& Fernsehen große Rollen spielen.

Der Preis für Freiheit: Verantwortung

Meine Ausbildung war für mich damals kostenlos. Und obwohl die Schule (die heute ein Teil der Folkwang-Hochschule in Essen ist), damals verwaltungstechnisch ein “Institut der Stadt Bochum” war, hatte sie doch den Status einer Hochschule. Man absolvierte mit Diplom und wurde fortan in der “Agentur für Arbeit” unter “Akademiker” geführt. Dieser Umstand half, wenn man mal an einen fachfremden Vermittler geriet, später sehr. Ob der Tatsache, dass die Öffentlichkeit sowohl meine Ausbildung finanziert hat, als auch durch den Umstand, daß ich nach mehreren Festengagements an Theatern ein Anrecht auf Arbeitslosengeld I erwirkt habe, hat in mir ein besonderes Verantwortungsgefühl gegenüber der Öffentlichkeit geweckt. Verantwortung für meine Tätigkeiten während eines Engagements – dass ich versuche immer mein Bestes zu geben – und aber auch Verantwortung in Zeiten der Arbeitslosigkeit: Weil ich mich eben nie auf jener ausruhen wollte, also bereit war und bin, sie so schnell wie möglich zu beenden. Das bedeutet auch immer jedes Engagement (also fast jedes – es gibt eine Untergrenze !) anzunehmen, welches sich mir bietet.

Ich bin eine hochsubventionierte Kuh

Ich gebe zu, dass es nicht immer nur die Arbeitsbedingungen waren und sind, die mich Gast,- vor Festengagements haben bevorzugen lassen. In Festengagements habe ich mich den Arbeitsbedingungen und Launen mancher Vorgesetzter immer zu sehr ausgeliefert gefühlt, welches ich wegen familiärer Vorprägung sehr schlecht ertrage. Aber eben dieses viele “gastieren” hat mich in über dreißig Berufsjahren auch oft in die Agentur für Arbeit geführt. Dort wurde ich allerdings immer respektiert, gut behandelt und auch gut bedient. Ich habe da überhaupt keine Beschwerde. Also gar nicht. Die Krönung meiner “öffentlich geförderten Kulturarbeit” war die Auszahlung von Kurzarbeitergeld an die Theater während der Corona-Zeit. Das war wirklich toll. Auch da wieder meine Verantwortungsgefühl: Anstatt nur zu Hause herum zu sitzen und Stimme und Texte geschmeidig zu halten, gründete ich mit Kollegen am Theater ein “KlimaTeam”, um die Zeit zu nutzen und dem Theater den ein oder anderen (Spar-) impuls geben zu können. Und auch aus Dankbarkeit für diesen Luxus, den rein selbstständig arbeitende Kollegen keinesfalls so umfangreich genießen durften – wenn überhaupt.

Theater stiftet Identität

Ich möchte gar nicht so genau wissen, wieviele 1000€ ich schon an Arbeitslosengeld ausgezahlt bekommen habe, in meinem Leben als freischaffender Schauspieler. Zu den Zahlungen an ALG I kamen noch mehrere von der Bundesagentur geförderte Weiterbildungen, die alle mit dem Beruf zu tun hatten, z.B. “Kameraarbeit, Synchron, Casting-Training und ähnliches mehr. – Doch halt ! Was läuft hier schief ? – Ich kann es euch sagen, Leute, und es hat mit der Wiedervereinigung der beiden Deutschlands zu tun. Wie bitte ? Nun, Anfang der neunziger Jahre rollt eine riesige Sparwelle durch die deutsche Theater,- und Orchesterlandschaft. Sparten, ja ganze Häuser werden dicht gemacht, zusammengelegt, Ensemble werden verkleinert, oder gleich ganz abgeschafft. Die ehemalige DDR hat derer noch viele zu bieten. Diese müssen aber zugunsten von anderen “blühenden Landschaften” weichen. Das war nicht erst aus heutiger Sicht blanker Unsinn. Das Stiften von Identität durch Theater, gerade in der Fläche, beziehungsweise dessen Mangel durch Sparmaßnahmen, hat sicherlich mit zu dem Vakuum in den Herzen und Köpfen derer geführt, die heute bevorzugt AFD wählen.

Keine Allzweckwaffe

Ich bin ein etwas schräger Vogel. Ich meine damit nicht nur meine Physiognomie, sondern auch meine seelisch, geistige Verfasstheit und deren körperlichen Ausdruck. Ich bin sicherlich das, was man “einen speziellen Typen” nennen könnte. Die damalige “Westfälische Schauspielschule” war bekannt für ihre knorrigen, sperrigen Typen. Eher Alltagsmenschen, als Heldentypen, keine Abziehbilder, nur wenige “Schönlinge”. Einen wie mich muss man sich daher leisten wollen. Oder können (und damit meine ich nicht, dass ich so unverschämt viel Gage verlange – wirklich nicht). Ich bin einer, der in einem Stadttheaterensemble nicht für alles einsetzbar ist. Ich bin keine “eierlegende Wollmilchsau”, wie man sie heute in den Rumpf-Ensemble, die alles andere als einen gesellschaftlichen Querschnitt abbilden, braucht. Ich bin keine “Allzweckwaffe” für sparwütige Disponenten. Jemanden wie mich leistet man sich entweder an größeren Häusern oder eben in speziellen Formaten, wie z.B. dem Kinder,- und Jugendtheater.

Upgrade Stadttheater

Wäre das nicht schön und sinnvoll, wenn das wieder anders würde ? Wenn man sich den “Luxus” leistete, die Theater finanziell vollständig auszustatten, damit sie wirklich ihrem gesellschaftlichen Kulturauftrag und Veranwtortung gerecht werden können ? Anstatt, wie neuerdings mancherorts wieder zu befürchten, sie am langen Arm verhungern zu lassen ? Das ist würdelos und all das schöne Geld, welches z.B. in mich investiert wurde, wäre verpufft. Ist Geld nicht besser in Zuschüssen für Theater angelegt als in der Summe, die der Steuerzahler für die Agentur für Arbeit bereitstellen muss, weil man vornähmlich lieber mit Gästen arbeitet ? Ist es nicht besser Arbeitsplätze zu finanzieren als Arbeitslosigkeit zu alimentieren ? Schon seit Jahrzehnten arbeiten deutsche Stadt,-und Staatstheater (mit wenigen Ausnahmen) personell am unteren Limit. Es ist ein Wunder und nur der Selbstausbeutung am Arbeitsplatz geschuldet, dass das Sytem so lange funktioniert. Ich bin heilfroh, dass es jetzt eine jüngere Generation gibt, die sich das nicht mehr bieten lässt.

Bernd Höcke zum Kanzler ?

Klar, wir haben jetzt eine “nationale Sicherheitsstrategie”, das heißt mit anderen Worten wir sind im Krieg, auch, wenn es niemand so nennt. Das heißt, wir brauchen unser Geld für Geflüchtete, für Hilfslieferungen, für Panzer. Wir brauchen auch Geld zur Anpassung an den Klimawandel. Für Straße und Schiene. Für Kita`s. Für Pflegekräfte und für Vorratshaltung an Schutzausrüstung für die nächste Pandemie. Aber wenn wir unsere Theater,- und Kulturlandschaft noch weiter ausbluten, dann können wir auch gleich Bernd Höcke zum neuen Kanzler wählen. Aber im Ernst – wollen wir das ? Können wir uns das leisten ? Eher nicht.

Eine Schnecke, die langsam über einen Schotterweg schlecht

Himbeeren mit Hindernissen

Heute Morgen gehe ich schon gleich, nachdem meine Frau zur Arbeit aufgebrochen ist, zu Edeka. Nicht, weil ich gerne den Wocheneinkauf machen möchte – das hat meine Frau schon letzte Woche erledigt, sondern, weil ich ein kleines Päckchen zur Poststelle bringe, welches eine Computermaus enthält. Ich mache neuerdings wieder ebay. Und da ich mir neulich eine neue, ergonomische Maus angeschafft habe (ich bin jetzt 57 und meine Schulter bringt mich um), bringe ich die alte zur Post, damit sie noch jemand anderem nützlich sein kann. So weit so gut. Es ist ein kleiner, feiner Spaziergang am Morgen, dicht an Bahngleisen entlang, durch saftiges Mai-Grün, den murmelnden Hasenburger Bach über eine Brücke überquerend, welche sich hölzern halbrund über das Wasser beugt (sehr poetisch, der Mai, gell?). Was ich außerdem bei Edeka brauche, das ist Grillanzünder, natürlich ökologisch. Den finde ich auch schnell bei EDEKA, man hat – es wird Sommer – die Grillutensilien gleich an der Kasse aufgebaut. Morgens um halb zehn, nach drei Feiertagen, da ist die Schlange an der Kasse natürlich lang. Schon beim Eintritt in den Supermarkt war mir aufgefallen, dass eine Reihe mit Einkaufswagen drohend vor sich herschiebender Hausfrauen (ja – es sind fast  alles immer noch  Frauen, die diese Arbeit erledigen), den Supermarkt fluteten, im Run auf die neuesten Angebote, scheinbar nicht nur die Inflation bekämpfend. Die ersten dieser Damen hatten sich also schon vor der Kasse eingefunden. Und ich, mit meinem Grillanzünder in der Hand, bemerke, dass noch ein zweiter Mensch an einer anderen Kasse sitzt, deren Nummer allerdings nicht grün aufblinkt, zu früh gefreut, die Kasse wird wohl repariert.

Versuchungen am Grabbeltisch

Also warten. Und auf den Grabbeltisch schauen. Und ins Zeitschriftenregal dahinter. Und die „11 Freunde“, diese Fan-Fussballzeitschrift entdecken. Diese herausziehen. Und bevor ich sie wegen kleinen Wochenbudgets wieder hereinstecken möchte, mit der Zeitschrift in der Hand in die Schlange zurückhechten, weil sonst, oh weh, mein Einkauswagenplatz, der mühsam erkämpfte, in der Schlange futsch wäre. .Also weiter warten. Mit Grillanzünder und Zeitschrift in der Hand. Mich umblicken und beobachten. Den Mann mit der ungewöhnlichen Physiognomie, der die Kasse bedient, beobachten. Dieser hat einen schwierigen Montagmorgen, obwohl es eigentlich schon Dienstag ist. Montag war Feiertag. Tag der Arbeit. Ich werde nie verstehen, warum ausgerechnet am „Tag der Arbeit“ nie gearbeitet wird, aber das ist ein anderes Thema. Der Mann mit der seltsamen Physiognomie an der Kasse hat einen schlechten Start. Er muss die in Plastik verpackten Himbeeren (wohlgemerkt, wir haben Mai!) über die Kasse ziehen und der scan-Code funktioniert nicht. Nicht nur einmal nicht – dreimal. Er muss dreimal hintereinander, von drei verschiedenen Himbeerpackungen, den scan-Code händisch eingeben. Die Frau mit den weißen Turnschuhen, nackten Knöcheln, Jogging-Hose und Gucci-Tasche, schaut schon ganz ungeduldig. Möglicherweise parkt ihr SUV im Halteverbot, wer weiß. Doch damit nicht genug. Die Frau hat auch mehrere Avocados ausgesucht und will sie nun käuflich erwerben. Als „unser Mann hinter der Kasse“ diese nun über den Scanner zieht, leuchtet auf seinem Bildschirm ein rotes Warndreieck auf. Dieses trägt ein weißes Ausrufezeichen. Ganz offensichtlich funktioniert hier der Barcode auch nicht und unser Mann an der Kasse muss nachschauen.

Eine Welt, die wir geschaffen haben

So ein Elend. Das ist fürchterlich, denke ich: Ein Supergau für unseren kleinwüchsigen Kassenhelden: erst die drei Himbeerpackungen, jetzt auch noch zwei Avocados, deren Preis er nachschauen muss, in diesen Listen, die an Tafeln hängen, und alles dann händisch eingeben. Dieser Mann hat einen festen Job. Er arbeitet schon lange bei Edeka. Offensichtlich wohnt er in der Nähe, denn ich begegne ihm manchmal auf dem Weg zur Arbeit. Er hat einen festen Job, geregelte Arbeitszeiten, Tarifurlaub, Weihnachtsgeld. Aber er muss lange Zahlenkolonnen händisch in eine Computertastatur eingeben, mit einer Engelsgeduld. Weil Menschen Fließbänder erfinden, damit alles schneller geht, um Zeit zu sparen, weil ja der SUV im Halteverbot parkt. Dieser Mann hinter der Kasse, der muss offensichtlich seinen Job sehr lieben, denn er bleibt völlig ruhig, während ich mich sehr, sehr wundere über die Welt, die wir geschaffen haben. Eine Welt mit Plastikhimbeeren, Scannerkassen, weißen Turnschuhen, die völlig unpraktisch sind und SUV, die zu groß sind, um auf regulären Parkplätzen zu stehen.

Okay, ich gebe es zu: dass die Turnschuh-Frau einen SUV fährt, der auch noch im Halteverbot stehen soll, dass ist wohlmöglich einfach nur eine Projektion von mir. Aber es hätte zu meinem an diesem Morgen sehr bröckeligen Weltbild gepasst.

Ein Kürbiskernbrötchen mit seltsamer Form

Privater Klimaschutz

Beitrag “Privater Klimaschutz” hören

Eigentlich wollte ich heute morgen nur mal eben zum Brötchen holen. Mit dem Auto am liebsten. Nicht weit genug, eigentlich. Aber mit dem Fahrrad, bei diesen Temperaturen, und dem Wind. Das Fahrrad habe ich mir 2019 noch gekauft. Mein Altes war eigentlich noch gut, aber nicht mehr ganz sicher, hat der Mann in der Radstation gesagt. Also habe ich es verschenkt. Ich hatte ja noch das andere Rad, welches ich von meinem Vater erbte. Also habe ich mir ein Neues gekauft. Kurz bevor das mit der Krise losging. Eigentlich war auch das Ritzel hinten noch ganz gut, aber vorsichtshalber sollte man es austauschen, hat ein anderer Mann bei der Inspektion gesagt. So bin ich – nach einem Jahr – wieder bei dem Preis gelandet, den das Fahrrad eigentlich gekostet hätte, wäre es nicht “ein Schnäppchen” gewesen.

Elektronik

Genau wie meine Wetterjacke. Als hätte ich es geahnt. Eigentlich ist “outdoor” ja ganz gut, aber die Jacke selbst ist bestimmt weder fair noch klimafreundlich produziert. Ich trage sie trotzdem. Soll ja jeder sehen, dass ich ein Naturverbundener bin. Eigentlich war ich das immer. Ich habe von Anfang an “grün” gewählt. Seit ich wählen durfte. Okay, damit habe ich auch die Bundeswehreinsätze in Ex-Jugoslawien mit verantwortet. Aber das ist eigentlich ein ganz anderes Thema. In den letzten Jahren hat man mein “Grün-Sein” nicht so gemerkt. Ich wollte eigentlich nur meinen Job machen und zwar regelmäßig. Ich bin im Kunstbereich tätig. Ich bin im Hamsterrad. Weil ich nämlich in einem “Überschussberuf” arbeite. Das heißt: zuviele Menschen wollen im Kunstbereich tätig sein. Da muss man sich anstrengen. Dass man mithält. Vor allem, dass man immer erreichbar ist. 1999 hatte ich mein erstes Handy. Dann noch eines. Mittlerweile habe ich mein viertes smartphone – seit 2010. Die Dinger werden halt immer besser. Können mehr von Jahr zu Jahr. Als ich angefangen habe, haben meine Kommilitonen und ich darüber gestritten, ob man seine Seele verkauft, wenn man sich einen analogen Anrufbeantworter anschafft. Allen Ernstes. Das Gleiche dann nochmal zum Thema “Fax”. Ich hatte alles: erst einen AB, dan ein Fax, dann Laptop und Drucker. Jetzt brauche ich eigentlich keinen Drucker mehr. Es wird immer weniger nötig, etwas auszudrucken. Aber ich habe das Ding nun mal.

Eiertanz

Eigentlich wollte ich mal was: die Welt verändern. Das war so 1982. Da war ich einer der Ersten, die sich “biologische Schuhe” gekauft haben, wo die Zehen vorne so Platz hatten. Entgegen dem Zeitgeist: “New Wave” verlangte spitze Schuhe. Die hatte ich eigentlich auch. “Creepers” aus England. Mit dicker Kreppsohle: Eigentlich brauche ich nicht so viele Schuhe. Aber seit den Achtzigern liebe ich es, eine Auswahl zu haben. Je nach Laune (” I just drive a different car everyday – depending on how I feel” – ach ja, Tom Waits). Damals war es äußerst wichtig die richtigen Schuhe zu tragen. Damit zeigte man Gesinnung. Und weil man in den 80ern Hedonist und ein Opfer der Popkultur war, änderte die sich alle zwei, drei Jahre. Erst Hippie, dann Punk, dann New Wave. Dann Rock-a-billy. Alle hatten ihre Schuhe. Zunächst war ich in der Kirche engagiert. Wir sind jedes Jahr ins Zeltlager gefahren. Eigentlich hätte es gereicht, dass ich mit den Eltern unterwegs war: Mit dem VW-Käfer ins europäische Ausland. Aber ich musste dann noch alleine. Nach Frankreich. Mit dem Auto. Diesmal mein eigener Kadett. Einmal, zweimal, dreimal. Später mit dem Corsa. Eigentlich habe ich Flugangst. Aber ich habe sie überwunden. Für ein “Peacecamp” in New York, so eine Art Friedenseinsatz. Eigentlich hätte mir New York als Amerika-Kennenlernen gereicht, aber ich wollte nochmal nach Kalifornien. Da kommt man nur mit dem Flugzeug hin. Meine jetzige Frau und ich, wir hatten anfangs weniger Geld und kannten uns nicht so gut. Also entschieden wir uns für eine Pauschalreise – mit dem Flieger nach Mallorca. Später nochmal nach Santurin. Griechische Insel. Eigentlich ganz schön da. Ich bin dann lange nicht geflogen. Eigentlich kommt man nach England auch mit der Bahn. Durch den Eurotunnel. Aber ich hatte nur 5 Tage Zeit, meinen Bruder zu besuchen. Da habe ich den Flieger genommen. Nicht direkt. Über Düsseldorf. Da wäre ich notfalls ausgestiegen. Denn eigentlich habe ich ja Flugangst. Im Grunde geht es mir sehr gut. Ich arbeite regelmäßig im Kunstbetrieb. Ich kann zweimal im Jahr in den Urlaub fahren. Eigentlich will ich schon seit Jahren nach Österreich. Aber es wird doch meistens Italien. Eigentlich kommt man da ganz gut mit der Bahn hin: Nachtzug München – Rom. Aber es ist halt weit. So sind wir mehrmals geflogen. Einmal auch mit dem Auto gefahren.

Brötchen holen

Tja – eigentlich wollte ich nur Brötchen holen. Es ist nicht weit, vielleicht zwei Kilometer. Heute Morgen habe ich das Fahrrad genommen. Es hat leicht genieselt. Ich habe sogar einen kleinen Rucksack für die Brötchen dabei. Eigentlich esse ich lieber Bio-Brötchen, aber die Weißen schmecken beim normalen Bäcker einfach besser. Ich nehme also das Rad: leichter Gegenwind, ich bin müde, aber ich kann es mir selber als Frühsport verkaufen. Am Schluss der Strecke geht es leicht, aber stetig bergauf. Eigentlich kein steiler Berg, aber der zieht sich. Ich biege endlich um die Ecke, hinter welcher gleich das Ladenschild erscheint. Ich bin stolz auf mich: “Jede Menge CO2 gespart, heute”. Und da stehen sie alle: die SUV`s. Die Kombis und Jeeps der Nachbarn. Auf dem Bäcker-Parkplatz. Eigentlich wollen sie alle nur mal eben Brötchen holen, denke ich.

eine Totenkopftasse

Welcome Virus, reloaded

welcome virus, relaoded

Ich muss vorher deutlich klarstellen: Das Virus ist hochgefährlich. Nicht nur für Lebenserfahrene und Vorerkrankte, sondern für Alle. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir uns impfen lassen.

Besinnung

Aber ich stehe auch dazu, was ich schon während des ersten Lockdowns als “Teddy Knaller” verlautbarte: Das Virus ist nicht nur “unser Feind”. Wenn, dann sind wir selber “unser Feind”. Alles in uns, was wir “bekämpfen”, das machen wir stärker. Es gibt eine alte Weisheit der Samurai: Was wir nicht besiegen können, das müssen wir uns zum Freund machen. – Die Natur ist ja so schlau ! Sie hat Selbstheilungskräfte. Sie versucht, den natürlichen Gleichgewichtszustand wieder herzustellen. Deshalb schickt sie ein Virus. Damit wir zur Besinnung kommen. Im Grunde ist es ja so: unsere Lebensweise war schon vorher krank. Unsere Lebensgrundlagen sind bedroht. Was passiert ist, dass wir in einen Zustand der Gesundung kommen. Das ist schmerzhaft. Wir leiden. Wir liegen danieder. Natürlich möchte auch ich nicht, dass viele Menschen krank werden oder gar sterben. Und es ist eine zivilisatorische Errungenschaft, wenn wir uns selbst Freiheiten entziehen, um unsere Mitmenschen zu schützen. Aber ich glaube nicht, dass es hilft, wenn wir dauerhaft “Krieg gegen das Virus” führen. Wie wir ja sehen, packt auch das Virus seine Waffen aus. Was ist damit gewonnen ?

Gesunder Menschenverstand

Aber es wird alles gut werden. Wenn wir – neben den bekannten Maßnahmen – auch unseren gesunden Menschenverstand wieder einsetzen. Es gibt nicht nur einen Weg. Es gibt viele, wie wir mit der derzeitigen Situation umgehen können. Habt ihr Ideen ? Vorschläge ? Alternativen ? Ich freue mich auf Eure Kommentare zu diesem komplexen Themenfeld.

Was fühlst DU unter Deiner Maske ?
Oberfläche eines abgesägten Holzstammes

Die Falten meines Hautarztes

Dieser Tage war ich, nach vier Jahren, endlich mal wieder beim Hautarzt. Ich habe nämlich viele Leberflecke genannte dunkle Punkte auf der Haut. Die müssen nicht zum ersten Mal untersucht werden, und erst Recht nicht zum ersten Mal herausoperiert. Es war schon die dritte Haut – Operation, die ich mit meinen 54 Jahren über mich ergehen lassen durfte. Der Befund war okay, wie es in der Fachsprache heißt, um es gleich mal vorweg zu nehmen. Meinem Hautarzt allerdings, schien es während der OP merkwürdig schlecht zu gehen. Er war lange nicht so entspannt wie bei der ersten Begegnung. Musste ich mir also Sorgen machen ?

Dienstag-Morgen-Fragen

Was bedeutet es, dass er nicht so gut drauf war ? Was bedeutet das ? Bin ich ein Sieg für ihn, oder eine Niederlage ? Bin ich Routine ? Was bedeutet es für ihn, wenn er mich nicht heilen können würde ? Oder was bedeutet das für ihn, wenn er mich nicht heilen kann, ich diese Heilung aber als selbstverständlich voraussetzen würde ? Und wie fühlt er sich, wenn ich nicht mal für die Operation dankbar bin ? Was bedeutet es ihm, wenn er sagen müsste: es kann keine Heilung geben ? Wäre er dann deprimiert ? Und: war er schon deprimiert als er mich schnippelte, weil er schon wusste, dass er mir eine unangenehme Wahrheit wird sagen müssen ? Oder war er einfach nur müde ? Hatte er sein erstes Morgentief ? War er mit den Gedanken etwa noch bei dem Patienten vor mir ? Oder bei dem – vielleicht doofen – Patienten nach mir ? Dachte er an seinen nächsten Urlaub, in den er nicht fahren möchte ? Oder an Corona ? Oder daran, dass er gerne eine Affäre mit seiner Sprechstundenhilfe hätte ? Hätte ich gerne eine Affäre mit ihr ? Denkt er, ich hätte eine Affäre mit ihr ? – Warum, verdammt, war mein Hautarzt so still ? Sonst war er doch auch nicht so ! Was ich alles erlebt habe – am Dienstag um zehn Uhr morgens in Deutschland.

Nicht so lustig

Das Alles ist natürlich gar nicht lustig. In diesem Jahr gibt es schon den zweiten Krebs-Fall in meiner Familie. Und mein Vater war ja auch vor 7 Jahren an dieser Krankheit gestorben. Und meine Oma, väterlicherseits, vor vielen Jahren auch. Ich habe also Grund zur Sorge. Denke ich. Warum gehe ich dann nicht öfters zur Vorsorge ? Das frage ich mich auch. Vielleicht, weil ich, wie Viele, im Hamsterrad stecke. Weil ich verdränge, dass das Leben nicht nur aus Arbeit besteht und es als eine “unzumutbare Störung” meines betrieblichen Ablaufes empfinden würde, wenn ich plötzlich krank würde. Das ginge gar nicht. Andererseits: warum sollen es immer nur die Anderen sein, die krank werden ? So besonders, wie ich gerne wäre, bin ich dann auch nicht. Das vergesse ich von Zeit zu Zeit. Wie viele andere auch. So what ?

Wir sind noch einmal davon gekommen

Diesmal bin ich also nochmal davon gekommen. Was heißt das schon ? Ist man “Opfer” einer Diagnose, wenn es einen erwischt ? Ist die Diagnose schuld, oder die Krankheit ? Oder der/die Ärzt:in ? Warum gelingt es mir immer nur in der Theorie “Krankheit als Chance” zur Transformation und Reifeprozess zu sehen. “Mach das weg” ist wohl eine häufige, verständliche, “normale” Reaktion, wenn Menschen eine Tumor-Diagnose bekommen. Niemand stellt sich die Frage – und seien wir ehrlich, es ist wird auch nicht besonders gefördert so zu denken – warum “das” da sein könnte. Vielleicht bin ich etwas naiv, aber ich stelle mir vor, dass es in der Natur nichts Überflüssiges gibt. Sonst würde es ja gar nicht existieren. Alle Materie, und ein Tumor ist ja auch Materie, ist Ausdruck einer “Idee”, eines “Gedankens”, eines “Willens”. Ich bin kein Arzt.

Ich bin kein Arzt

Anfang des Jahres bekam mein eine Verwandte ersten Grades eine schlimme Diagnose: Die Mandeln seien “verkrebst”. Um mich zu schonen bekam ich die Nachricht von meiner Familie erst nach der Operation. Corona – bedingt musste meine Verwandte alleine im Krankenhaus bleiben. Anfangs durfte noch ihr Mann zu ihr, dann niemand mehr. Drei Wochen lang. Obwohl meine Verwandte kaum sprechen konnte, sagte sie zu, dass wir jeden Tag wenigstens miteinander telefonieren würden. Und das taten wir. War sie anfangs noch schwach und zweifelnd, so wurde sie mit zunehmender Zeit immer kräftiger, obwohl ihre Prognose erst gar nicht so toll aus sah. Sie vertrug die Magensonde nicht, die man ihr eingesetzt hatte, konnte zeitweise nur durch Infusionen ernährt werden. Aber meine Verwandte wäre nicht die, die sie ist, wenn sie nicht einen unbändigen Lebenswillen hätte. Sie rappelte sich auf. Sie wollte nicht, dass “der Krebs das letzte Wort” habe würde, oder Corona, oder die Einsamkeit, oder ihre schwache Konstitution. Drei Monate später, als ich endlich besuchen durfte, sah sie fast aus wie früher. Was würde mein Hautarzt dazu sagen ?

Ein verwaister Supermarktparkplatz

Die Antwort

Und die Frage…hier hören

Eine vor dem 2. Lockdown nicht gehaltene Rede

Corona ist nicht nur eine große Frage – Corona kann einen Teil zur Antwort beitragen. Und die Frage haben wir selbst gestellt. Wenn wir zum wiederholten Male hauptsächlich über materielle Dinge diskutieren – so ist das verständlich – aber es hilft nicht weiter ! Es ist relativ unerheblich – angesichts viel drängender Fragen (wie z.B. der Zerstörung unseres globalen Lebensraumes), die zu lösen anstehen – ob wir am Ende unserer Lebensarbeitszeit etwas mehr oder etwas weniger Geld auf unseren Konten haben.

K(l)eine Atempause

Es ist normal, dass wir uns in Krisenzeiten – so ist nun mal die westliche Herangehensweise (und in Deutschland sowieso) auf die technischen und verwaltungstechnischen Aspekte der Krisenbewältigung konzentrieren und, wie in unserem Fall, funktioniert das auch gut ! Dabei besteht aber auch die Möglichkeit, dass wir übersehen, dass wir eine einmalige Chance bekommen haben. Politik und Gesellschaft erkennen durch Zuschüsse, wie in unserem Fall das Kurzarbeitergeld, den Wert der Kunst und der Kultur an sich an. Zumindest war das bis zum Sommer 2020 der Fall. Mittlerweile ist es Dezember und die Pandemie ist noch lange nicht vorbei.

mehr als nice to have !

Nutzen wir also die Möglichkeit, in dieser kurzen Phase, nicht wie gewohnt materiell effektiv und seelisch optimiert sein zu müssen. Nutzen wir die Atempause also nicht nur uns zu fragen, was uns plötzlich fehlt, sondern auch, was wir gewinnen könnten, wenn wir ein wenig die Richtung änderten. Es ist richtig, den Fokus erst einmal auf das Aufholen des Verpassten zu legen. In einem weiteren Schritt sind wir allerdings gut beraten, uns darauf zu fokussieren, welche Kunst wir jetzt machen wollen und sollten. Wie wir relevant sein können. Und auch – das ist mir noch viel wichtiger – wie wir dabei mit uns und unserem Publikum umgehen. Übrigens: Theatermitarbeiter sind auch Steuerzahler.

Zusammenhalten

Was ist das Wichtigste zur Zeit ? Nun, meine Antwort auf die Frage ist: der Zusammenhalt ist das Wichtigste ! Es ist wichtig, dass nicht jede/r Einzelne im Theater einfach nur vor sich “hinwuselt” und versucht, seine oder ihre Pfründe zu sichern. Es gilt, den Zusammenhalt zu fördern. Sei es durch die Inhalte, die wir produzieren oder darstellen (brauchen wir z.B. noch diese Grenze zwischen sog. “ernster” und “unterhaltsamer” Kunst?), sei es aber vor allem durch die Art, wie wir miteinander umgehen. Wir müssen unsere Herzen öffnen und über unsere Schatten springen. Das ist es, was uns das Virus lehrt. Die Leitungen, die Verwaltungen und die technischen Abteilungen der Theater haben in den letzten Monaten Unglaubliches geleistet, um z.B. ein funktionierendes Hygienekonzept zu erstellen. Dafür gebührt ihnen Anerkennung und Dank. Und wahrscheinlich auch mehr Geld. Im nächsten Schritt müssen wir den jetzt neu geschaffenen Rahmen, der durch die vorläufige Rettung der Häuser – dieser Artikel ist vor dem zweiten Lockdown entstanden (Anm. des Autors) – möglich wurde, mit Leben füllen. Das kann gelingen, wenn wir die Ellenbogen einfahren und die Herzen öffnen, wenn wir uns gegenseitig respektieren und vor allem: zuhören ! Die Weisheit aller Theater-Mitarbeiter*innen, vom Keller bis Dach, die ist jetzt gefragt. Der Gebrauch des gesunden Menschenverstand jedes einzelnen Mitgliedes der Gemeinschaft erhöht am Ende deren Schlagkraft & Überlebensfähigkeit.

Kultur, Wandel & Klima

Unser Hauptthema sollte nicht, wie manche betriebsinterne Diskussionen suggerieren, sein, wie wir unsere Gehälter und Rentenansprüche retten können. Und zwar aus folgendem Grund: Unser gesellschaftliches Überthema der nächsten Jahre ist der weltweit stattfindende Klimawandel. Auf der physikalischen Ebene ist er in den nächsten Jahren unsere größte Herausforderung. Deshalb sollten wir schauen, wie wir mit unseren Ressourcen in allen Theater-Abteilungen viel nachhaltiger umgehen. Ich rede dabei nicht nur von Sparen oder Reparieren. Wir dürfen weiter aus dem Vollen schöpfen, wenn wir die richtige Materialien verwenden und langfristige Ziele entwickeln – darüber werde ich demnächst auch noch etwas schreiben.

Das Schiff menschlichen Rohstoffs

Auf der menschlichen Ebene ist ein Wandel des Klimas aber nicht nur nicht zu fürchten, sondern sogar wünschenswert. Die Weisheit und Handlungsfähigkeit der Menschen im Betrieb ist unsere wichtigste Ressource, und die gilt es nicht nur zu erhalten, sondern sogar noch besser zu nutzen. Und deshalb ist es wichtig, die Probleme zusammen anzugehen. Bilden wir interne Gruppen, die sich damit beschäftigen, was man wie und wo verändern könnte. Schauspieler*innen könnten sich z.B. freiwillig selbst verpflichten, mit dem Rad zu Proben und Vorstellungen zu fahren, in der Kantine könnte mit re:cup ein wiederverwendbares Becherpfandsystem eingeführt werden, das Theater könnte sich als Leitbild – gerne auch im Wettbewerb mit anderen Theatern – gutes Fairness-management und Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreiben. Es gibt viele Möglichkeiten. Schließen möchte ich mit dem berühmten Zitat:

“Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, offenen Meer”

Antoine de Saint-Exupery

Lasst uns gemeinsam ein neues, sturm-taugliches Schiff zimmern und unbekannte Länder erfahren !

Gartenhütte

Wege aus der Einsamkeit, nicht nur im Schaupielerberuf

Wege aus der Einsamkeit: hier hören

Das Thema “Einsamkeit” im Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes der Darstellenden Kunst taucht meist schon während der Ausbildung auf. Die Anforderungen an Körper und Geist während der Veränderungsprozesse der Studierenden sind hoch. Der Mensch ist in Folge dessen sehr viel mit sich selbst beschäftigt, das alte Freundes, – und Familienumfeld ist weit weg, alte Verhaltensmuster werden ab-, neue antrainiert.

Theaterfamilie

Im Berufsleben geht das dann weiter. Der/die Schauspieler*in geht vielleicht für ein Engagement in eine neue Stadt, wieder in ein neues Umfeld. Wenn es “gut geht” wiederholt sich dieser Prozess alle paar Jahre – das gehört zum Berufsbild. Neue Freundschaften entstehen oft nur im Kollegen*innenkreis. Diese sind zwar oft jahrzehntelang haltbar, werden aber aber manchmal für Jahre unterbrochen. Das Arbeitspensum, welches Kolleg*innen im deutschen Stadttheaterbetrieb zu leisten haben, ist gewaltig. Es gibt keine Arbeitszeit,- nur Ruhezeitregelungen. Wochenend-, und Feiertagsarbeit ist mehr die Regel als die Ausnahme – auch das ist berufsimmanent.

Ausfall

Fällt mal eine Produktion aus, oder der/die Schauspieler*in wird umbesetzt, weil er/sie vielleicht einen Bühnenunfall hatte, dann rutscht die betreffenden Person oft in ein tiefes, emotionales Loch. Alleine in einer fremden Stadt, ohne “Arbeit”, ohne “Proben”. All das ist Berufsalltag für viele Schauspielkolleg*innen. Im Normalfall fängt die Freude am Spielen, sowie das Kollegium, vieles auf, der Umgang miteinander ist – entgegen aller Klischees – oft sehr zugewandt und herzlich. Jeder kennt die Probleme. Deswegen spricht man oft von “Theaterfamilie”. Im Film,- und Fernsehbereich ist es ähnlich.

Der wackelnde Boden

Schauspieler*innen sind Experten beim Thema soziale Einsamkeitsgefühle, und sollten mit Ausnahmesituationen wie Isolationen und Quarantäne z.B. während einer Pandemie eigentlich recht gut zurecht kommen. Sollten. Jetzt ist aber der Beruf an sich bedroht – und das legt nochmal “eine Schippe an Härten” drauf. Das gesamte berufliche Umfeld, die “Branche” wackelt. Warum ich dennoch zuversichtlich bin, dass darstellende Künstler*innen prädestiniert sind, solche Situation meistern zu können, möchte ich im Folgenden erläutern. Ich habe es schon angedeutet: In diesem Beruf wird man zum “Meister der seelischen Ausnahmesituationen”. Um einen Menschen in emotionalen und physischen Extremsituationen darstellen zu können, gehen Darsteller*innen oft an, zum Teil sogar über ihre eigenen seelischen und körperlichen Grenzen. Das macht ihre Kunst so faszinierend für Zuschauer, aber auch oft so gefährlich für die Ausübenden. Schauspielerei gleicht oft genug einem Hochseilakt, Absturzmöglichkeit inbegriffen.

Geschützter Raum

Die ganze Welt ist Bühne und alle Männer und Frauen sind nur Spieler

William Shakespeare (Wie es Euch gefällt)

Was uns selber als Schauspieler*innen in der Pandemie schützen könnte – und als “Vorbilder” und /oder “Helfende” für Andere, weniger Geübte, ins Spiel bringt – ist eben diese Übung im “Überleben” von Ausnahmezuständen. Das kann ich mir so vorstellen: Auf der Bühne schützt uns das Spiel ! Bei Allem, was wir Schauspieler*innen an Extremen erleben, wissen wir immer, dass wir uns im geschützten Raum des Theaters oder vor der Kamera befinden. Wir “tun nur so als ob”. Spätestens seit Shakespeares `Zitat “Die ganze Welt ist Bühne” könnte es uns helfen zu wissen, dass auch unser echtes Leben eine Art “Bühne” ist, auf der wir den “Film unseres Lebens spielen”. Und nicht nur, dass wir – wenn es gut läuft – “Erfinder” und “Gestalter” des Drehbuches unseres eigenen Lebens sein können, es könnte sogar spannend sein die Person, die ich bin dabei zu beobachten, wie sie die entsprechende Ausnahmesituation im eigenen Leben meistert. Wäre unser Leben ein Film, und wären wir Zuschauer unseres eigenen Filmes, der unser Leben ist, würden wir es lieben, die Hauptdarsteller*in dabei zu beobachten, wie er/sie durch immer neue Wendungen seines/ihres Schicksals stolpert, sich fängt, kämpft und am Ende wohl möglich siegt, weil er/ sie einfach nicht aufgegeben hat.

Alternative Szenarien

Üben wir das also in unserer freien Zeit. Und helfen wir anderen dabei, die nicht soviel Übung darin haben, mit Konzentration und Vorstellungskraft, sich alternative Szenarien für ihr Leben im Film, der ihr eigenes Leben ist auszudenken, und zwar “Best-Case-Szenarien”, also Szenarien mit gutem Ausgang, und nicht etwa Horrorvorstellungen ! Eine Möglichkeit: Wenn wir uns einsam fühlen, dann können wir noch immer Verabredungen treffen mit dem/der besten Freund*in, die wir haben (sollten): uns selbst ! Kultivieren wir das ! Genießen wir das ! Stellen wir uns zum Beispiel vor, wir wären ein Schriftsteller, der/die sich zum Schreiben eines (Dreh-)Buches vier Wochen oder länger in eine Hütte zurückzieht, in wunderbarer Natur. Es könnte”Big Sur” an der Pazifikküste Kaliforniens sein, oder auch einfach nur die Lüneburger Heide. Okay, wir wären dann nicht Henry Miller, sondern “nur” Hermann Löns, aber die Bilder, die dabei im Kopf entstehen, haben die Mühe schon gelohnt.