Ein verwaister Supermarktparkplatz

Die Antwort

Und die Frage…hier hören

Eine vor dem 2. Lockdown nicht gehaltene Rede

Corona ist nicht nur eine große Frage – Corona kann einen Teil zur Antwort beitragen. Und die Frage haben wir selbst gestellt. Wenn wir zum wiederholten Male hauptsächlich über materielle Dinge diskutieren – so ist das verständlich – aber es hilft nicht weiter ! Es ist relativ unerheblich – angesichts viel drängender Fragen (wie z.B. der Zerstörung unseres globalen Lebensraumes), die zu lösen anstehen – ob wir am Ende unserer Lebensarbeitszeit etwas mehr oder etwas weniger Geld auf unseren Konten haben.

K(l)eine Atempause

Es ist normal, dass wir uns in Krisenzeiten – so ist nun mal die westliche Herangehensweise (und in Deutschland sowieso) auf die technischen und verwaltungstechnischen Aspekte der Krisenbewältigung konzentrieren und, wie in unserem Fall, funktioniert das auch gut ! Dabei besteht aber auch die Möglichkeit, dass wir übersehen, dass wir eine einmalige Chance bekommen haben. Politik und Gesellschaft erkennen durch Zuschüsse, wie in unserem Fall das Kurzarbeitergeld, den Wert der Kunst und der Kultur an sich an. Zumindest war das bis zum Sommer 2020 der Fall. Mittlerweile ist es Dezember und die Pandemie ist noch lange nicht vorbei.

mehr als nice to have !

Nutzen wir also die Möglichkeit, in dieser kurzen Phase, nicht wie gewohnt materiell effektiv und seelisch optimiert sein zu müssen. Nutzen wir die Atempause also nicht nur uns zu fragen, was uns plötzlich fehlt, sondern auch, was wir gewinnen könnten, wenn wir ein wenig die Richtung änderten. Es ist richtig, den Fokus erst einmal auf das Aufholen des Verpassten zu legen. In einem weiteren Schritt sind wir allerdings gut beraten, uns darauf zu fokussieren, welche Kunst wir jetzt machen wollen und sollten. Wie wir relevant sein können. Und auch – das ist mir noch viel wichtiger – wie wir dabei mit uns und unserem Publikum umgehen. Übrigens: Theatermitarbeiter sind auch Steuerzahler.

Zusammenhalten

Was ist das Wichtigste zur Zeit ? Nun, meine Antwort auf die Frage ist: der Zusammenhalt ist das Wichtigste ! Es ist wichtig, dass nicht jede/r Einzelne im Theater einfach nur vor sich “hinwuselt” und versucht, seine oder ihre Pfründe zu sichern. Es gilt, den Zusammenhalt zu fördern. Sei es durch die Inhalte, die wir produzieren oder darstellen (brauchen wir z.B. noch diese Grenze zwischen sog. “ernster” und “unterhaltsamer” Kunst?), sei es aber vor allem durch die Art, wie wir miteinander umgehen. Wir müssen unsere Herzen öffnen und über unsere Schatten springen. Das ist es, was uns das Virus lehrt. Die Leitungen, die Verwaltungen und die technischen Abteilungen der Theater haben in den letzten Monaten Unglaubliches geleistet, um z.B. ein funktionierendes Hygienekonzept zu erstellen. Dafür gebührt ihnen Anerkennung und Dank. Und wahrscheinlich auch mehr Geld. Im nächsten Schritt müssen wir den jetzt neu geschaffenen Rahmen, der durch die vorläufige Rettung der Häuser – dieser Artikel ist vor dem zweiten Lockdown entstanden (Anm. des Autors) – möglich wurde, mit Leben füllen. Das kann gelingen, wenn wir die Ellenbogen einfahren und die Herzen öffnen, wenn wir uns gegenseitig respektieren und vor allem: zuhören ! Die Weisheit aller Theater-Mitarbeiter*innen, vom Keller bis Dach, die ist jetzt gefragt. Der Gebrauch des gesunden Menschenverstand jedes einzelnen Mitgliedes der Gemeinschaft erhöht am Ende deren Schlagkraft & Überlebensfähigkeit.

Kultur, Wandel & Klima

Unser Hauptthema sollte nicht, wie manche betriebsinterne Diskussionen suggerieren, sein, wie wir unsere Gehälter und Rentenansprüche retten können. Und zwar aus folgendem Grund: Unser gesellschaftliches Überthema der nächsten Jahre ist der weltweit stattfindende Klimawandel. Auf der physikalischen Ebene ist er in den nächsten Jahren unsere größte Herausforderung. Deshalb sollten wir schauen, wie wir mit unseren Ressourcen in allen Theater-Abteilungen viel nachhaltiger umgehen. Ich rede dabei nicht nur von Sparen oder Reparieren. Wir dürfen weiter aus dem Vollen schöpfen, wenn wir die richtige Materialien verwenden und langfristige Ziele entwickeln – darüber werde ich demnächst auch noch etwas schreiben.

Das Schiff menschlichen Rohstoffs

Auf der menschlichen Ebene ist ein Wandel des Klimas aber nicht nur nicht zu fürchten, sondern sogar wünschenswert. Die Weisheit und Handlungsfähigkeit der Menschen im Betrieb ist unsere wichtigste Ressource, und die gilt es nicht nur zu erhalten, sondern sogar noch besser zu nutzen. Und deshalb ist es wichtig, die Probleme zusammen anzugehen. Bilden wir interne Gruppen, die sich damit beschäftigen, was man wie und wo verändern könnte. Schauspieler*innen könnten sich z.B. freiwillig selbst verpflichten, mit dem Rad zu Proben und Vorstellungen zu fahren, in der Kantine könnte mit re:cup ein wiederverwendbares Becherpfandsystem eingeführt werden, das Theater könnte sich als Leitbild – gerne auch im Wettbewerb mit anderen Theatern – gutes Fairness-management und Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreiben. Es gibt viele Möglichkeiten. Schließen möchte ich mit dem berühmten Zitat:

“Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, offenen Meer”

Antoine de Saint-Exupery

Lasst uns gemeinsam ein neues, sturm-taugliches Schiff zimmern und unbekannte Länder erfahren !