Ein Bahnhof mit Gleisen und Bergen im Hintergrund, sehr verloren

Von Mainz nach München – und zurück ?

Vorspann

Heute habe ich, für die Weiterreise, einen Eurocity gebucht. Ich habe ja noch meine Bahncard. Aus Kostengründen genehmige ich mir aber einen Super-Sparpreis. Das heißt Zugbindung. Das heißt: so früh am Mainzer Hauptbahnhof zu sein, dass ich den Zug in jedem Fall bekomme, also eine knappe Stunde vorher. Das heißt: einundhalb Stunden vor Abfahrt, weil der Zug natürlich 30 Minuten Verspätung hat. Das heißt Geld ausgeben: für Kaffee, für Zeitung, für ein Buch. Das heißt: die Ersparnis des Super-Sparpreises ist futsch. Erkenntnis: beim nächsten Mal lieber ein stornierbares Angebot wählen ! Der auf diese Art „erhöhte“ Preis ist in seinen Folgen aber durch die Tatsache abgemildert, dass ich von meiner Familie „Fahrgeld“ bekommen habe. Und zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass das Buch, welches ich bei „Replay“ erstanden habe, als Geschenk dienen wird. Vielleicht. Vielleicht lese ich es aber auch lieber selber. Es ist immerhin der neue „Strelecky“ mit dem schönen Titel: „Wenn Du Orangen willst, such nicht im Blaubeerfeld“. Übersetzt auf eine Reise mit der Bahn könnte man sagen:

Wenn Du nach Stuttgart willst, fahr nicht nach München

Also dieser zweite Teil der Reise verläuft dann in Folge ziemlich problemlos – zumindest für mich. So ist das. So kann das auch sein. Ich bin in einem Zug, dessen Hauptziel Klagenfurt ist. Er tuckert von EC-Bahnhof zu EC-Bahnhof. Es läuft problemlos – mit einer Einschränkung: Alle, die nach Stuttgart wollen, werden enttäuscht sein. Der Zug hält dort nicht. Das ist wohl die Lösung der „Reiseleitung“ in Sachen Pünktlichkeitsproblem, denn der Zug war schon mit ca. 30 Minuten Verspätung in Mainz angekommen. So wird ein bestimmter Bahnhof auf der Reise einfach mal nicht angefahren: Stuttgart. Die Leute könnten ja in Esslingen umsteigen. Das kommentiere ich hier jetzt einfach mal gar nicht. So. Ich bin in München, und hier gehen die Uhren eh anders. Also pünktlich. Und „sauber“. Obwohl ich Städte eigentlich nicht mag, die „Obdachlosigkeit“ zu einem „ästhetischen Problem“ machen, also aus dem Straßenbild zu verbannen versuchen. Wie neuerdings wohl auch die Stadt New York. Zum Glück gelingt es ihnen hier in der bayrischen Hauptstadt nicht ganz. Man sieht viele Menschen, die man früher wohl als „Originale“ bezeichnet hätte.

Rückfahrt mit Zwischenstopps

Die Rückfahrt geschieht zwei Tage später über Würzburg. Am Vorabend gebucht, kommt mir die Reise trotz Bahncard 25 recht teuer vor, ca. 44€. Und dann ist der Plan, in Würzburg über Schlüchtern, Bebra, Fulda mit Nahverkehrszügen zu fahren. Aber diesen Plan werfe ich, schon im Zug sitzend, über den Haufen. Ich warte zehn Minuten und dann steige ich aus, weil die Wahrscheinlichkeit, schon den ersten Anschluss zu bekommen, gen null tendiert. Offensichtlich hat es an der Böschung in Höhe Veitshöchtsheim einen Brand gegeben. Einen Böschungsbrand. Der sei zwar angeblich schon wieder gelöscht, aber „mit Verspätungen sei zu rechnen“. Sowohl die Anzeigentafel, als auch die Anzeige in der App suggerieren zwar Pünktlichkeit, aber die Realität ist eine andere. So steige ich wieder aus. Ich hatte mir schon auf der vorher gegangenen Fahrt überlegt in einem solchen Falle, so zu handeln, deswegen zögere ich jetzt nicht mehr. Ich drehe eine Runde durch Würzburg, nehme ein Falafelsandwich (Gute Idee!) und dann setze ich mich in den ICE nach zunächst Fulda. Von Fulda aus möchte ich einen zweiten Versuch starten, mit Nahverkehrszügen zu fahren, ich weiß allerdings nicht, ob es meine Abenteuerlust zulassen wird. Diese ist nämlich schon ziemlich gestillt. Der ICE in Würzburg ist nämlich ausgerechnet einer, der nicht nur nach Hamburg fährt, sondern sogar in Lüneburg hält. Und ich bin jemand, der Versuchungen selten widerstehen kann.

Einmal was Verbotenes tun !

Und ich konnte es nicht. Ich steige in Fulda aus dem Zug aus. Es regnet. Meine Vorstellung ist die: ich sitze im RE, ohne WLAN, der Regen prasselt an die Scheibe und nach dem schwülen Münchener Sommer fühlt sich das an wie ein Märchen der Brüder Grimm, aber eines der bösen. Ich steige im nächsten Wagon wieder in den ICE. Meine Bahn-app schlägt mir vor, doch das Ticket für 71,40€ zu kaufen, ich zögere kurz. Ich frage mich, welche Möglichkeiten es gibt, dem zu entkommen: Wenn ich auf meinem Platz bleibe ist die Wahrscheinlichkeit sofort kontrolliert zu werden, ziemlich hoch. Wenn ich dagegen ins Restaurant gehe, nur ein Wagon weiter, habe ich vielleicht die Chance, wenigstens eine weitere Haltestelle zu überspringen. Ich präpariere meine App so, dass ich, im Falle einer Fahrschein-Kontrolle, nur noch auf „jetzt kaufen“ drücken muss. Ich nehme mir vor, so lange nicht zu klicken, bis ein Schaffner oder eine Schaffnerin direkt auf mich zu kommen. Das könnte natürlich auch von rückwärts geschehen…und siehe da, ein Schaffner kommt aus der Kombüse des Restaurants. Wenn er jetzt in meine entgegengesetzte Richtung läuft, dann würde ich nicht klicken, dann würde ich es wenigstens bis Kassel-Wilhelmshöhe riskieren, kein Ticket zu haben. Leider kommt er aber in meine Richtung. Kurz bevor er auf meiner Höhe ist, erwarte ich seine Ansprache. Doch sie kommt nicht. Er geht einfach vorbei an mir. Zwischenzeitlich habe ich aber geklickt. Bah.

Bebra-Blues

Ich sitze also im Restaurant, habe gerade noch Kleingeld für einen Café Crema, 3,80€ – also einen kleinen Café Crema ! Der Kellner ist freundlich, ich brauche nicht gleich zu bezahlen. Schaue ihm in Folge aber zu, wie er verzweifelt versucht eine „Zwischeninventur“ zu machen. Denn er muss dokumentieren, ob einer seiner Kollegen nicht etwas hat mitgehen lassen. Willkommen in Deutschland. Er hat sich zu mir an den Tisch gesetzt. Er ist mir sympathisch. Trägt Freundschaftsarmbänder. Und er schimpft über das WLAN im Zug. Er muss es wissen. Er fährt jeden Tag. Wir fahren weiter bis Bebra. Ein Nicht-Ort im nordhessichen Niemandsland. Am Bahnhof macht unsere Fahrt wegen einer Baustelle einen Betriebshalt und ich frage mich in Folge, ob ich mit dem 49-Euro-Ticket nicht vielleicht sogar schneller zuhause gewesen wäre. Und ich wäre dabei auch über Bebra gefahren. Himmel! Ein Güterzug sei auf der Strecke liegen geblieben…und dann hätten wir noch Gegenverkehr. Na ja. Ganz so schlimm wurde es dann nicht. Nur 25 Minuten Verspätung, aus welcher im Verlauf der weiteren Reise aber 15 Minuten werden. Und ich kann die Zeit durch Schreiben nutzen. Zugfahren heißt: Zeit zum Schreiben haben.

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