Martin im Gespräch mit Jörg

Agenturtreffen und Aufenthalt in München während des Filmfestes 2023

Es war eine spontane Reise. Bevor ich im Herbst wieder in eine bestimmte Theaterhölle absteige, werde ich sicherlich noch einmal heraus müssen, um ein wenig Film-Luft zu schnuppern. Das gelingt mit Überraschungen.

Wow !

Erster Eindruck wow! Das Amerikahaus in München (in welchem u.a. eine „American Drama Group“ gastiert) ist ein wunderbarer Ort, und Treffpunkt des Festivals 2023. Hier gibt es Pizza und Bretzeln, die Festival-Ticket-Kasse, eine Lounge, ein zeltartig überdachter Bereich mit angenehmer Beschallung, Liegestühle. Hier gibt es eine „Beergarden-Convention“ genannte Location für akkreditierte Besucher: Innen. Ausserdem zwei Fotowände für Selfie,- und Gruppenaufnahmen, ferner saubere Toiletten und Originale von amerikanischen Oldie-Cartoons wie „Garfield“ oder „Peanuts“ an den Wänden. Ich bin echt geflasht. Unter dem Zeltdach sitzen verschiedene Menschen und plauschen, arbeiten an ihren Laptops oder machen Business-Gespräche. Allgemein ist es eine ruhige, entspannte Atmosphäre. Ich bin schon gegen zehn Uhr morgens da und lausche dem Gespräch eines sich freundschaftlich verbundenen Schauspielerpaares, eine junge Frau, ein junger Mann. Beide tauschen ihre Erlebnisse aus. Ich bin positiv erstaunt über ihre Virtuosität im Umgang mit der Branche. Ich erfahre an welchen Castings sie teilnehmen, wie sie sich gegenseitig unterstützen, mitnehmen, beraten und aufmerksam machen. Beide haben schon viel erlebt, beide sind multitasker zwischen Film, Theater, Musik und Firmenleitung. Aus diesem Puzzle ergibt sich ein Berufe-Patchwork, welches offensichtlich zu mehr als dem Überleben reicht. Zack zack, schnell, schnell, und hier noch ein Casting und dort noch ein Drehtag. Ach, da hast du auch vorgesprochen…? Ich weiß nicht, ob meine Generation in jungen Jahren schon so versiert war. Und so selbstbewusst. Jedenfalls komme ich mir ein bisschen alt vor. Mit 57 ist man in der TV-Branche ein Greis ?

Freude im Café Kosmos

Am Abend vorher war ich schon angekommen. Unsere liebe Schauspiel-Agentin Jenny-Marie hatte einen Empfang bereitet. Das ist so üblich. Sie macht es aber auf ihre Weise: nämlich gemütlich, entspannt, aber nicht im schlappen Sinne, sondern einfach zum Wohlfühlen. Das Ambiente hat Vintage Style. Die Möbel und Wände im Cafe Kosmos sind voll Patina. Zum Event sind eingeladen: die Agenturkolleg:Innen und jede Menge Casting-Direktor:Innen und Produzent:Innen. Es kommen von allen Gruppen ca. 30%. Aber die richtigen 30%. Finde ich. Zum Beispiel mein Freund und Kollege Piotr Stashenko, der mit dem Zug aus der Ukraine und dann 20 Stunden aus Warschau mit dem Bus gekommen ist. Wir haben aber auch Leute aus Köln, aus Hamburg, aus Berlin, natürlich. Ein Gutteil der Crew. Die anderen spielen, stehen auf der Bühne oder drehen. Es werden Fotos gemacht, es wird getrunken, geraucht, es gibt Gespräche, einzeln, in Gruppen, und als Dialoge. Es wird gefachsimpelt. Es wird gelacht. Es wird sich ausgetauscht. Denn der Kontakt zu den Kolleg: Innen ist genauso wichtig wie der Kontakt zu professionellen Entscheider: Innen. https://youtu.be/JMRqzaZz3uM

Man kann es nicht forcieren

Am Nachmittag des zweiten Tages bin ich dann zum ersten Mal im Kino. Im berühmten Gloria-Kino am Karlsplatz. Da wollte ich schon immer mal hin. Es ist ein feiner Saal mit schummriger Beleuchtung und roten Plüschsesseln. Ein Kino mit einer Aura, die jedes Netflix-event wie einen Aufenthalt im Gefängnis-Klo anmuten lässt. Die Sessel habe Fußstützen, sodass man beim Schauen die Beine ausstrecken kann. Sehr gemütlich. Schon beim Betreten des Saales treffe ich meine Kollegin Corinna N. aus Köln. Sehr fein. Ich treffe sie immer und überall. Leider haben wir wenig Gelegenheit zum Plausch, da ich zwei Agenturkolleg:Innen im Schlepptau habe (oder sie mich). Ich habe ihnen versprochen, Plätze zu reservieren, während sie nochmal den Lokus aufsuchen. Ich reserviere, was auf Kosten meines Plausches mit Corinna geht, aber was soll`s, der Saal füllt sich zu schnell. Wir sitzen am Rand, aber in diesem Filmpalast habe wir die Chance, von überall gut zu sehen. Wir schauen die ersten zwei Folgen einer Serie „Boum Boum Bruno“ genannt, eine Cop-Komödie, die zwar an Klischees nicht spart, aber dank der darstellerischen Glanzleistung eines, ja, tut mir leid, Ben Becker, wirklich abhebt. Zumindest in der ersten Folge. Die zweite ist etwas schwächer. Ich frage mich, ob die Kombi Über-Macho passt mal so richtig auf Weichei auf, mit den entsprechenden Sprüchen und Gesten, über sechs Folgen tragen wird. Man wird sehen. Oder auch nicht, denn die Serie läuft auf irgendwelchen obskuren Streaming-Portalen, deren Namen ich mir nicht einmal mehr merken kann. Vielleicht aber doch! Warner-Series. Da haben wir es. Die Ausstrahlung soll aber erste gegen Ende des Jahres erfolgen. Warum das so lange dauert, bleibt schleierhaft. Der Regisseur ist ein gewisser Maurice Hübner. Total sympathisch, trotz Schnauzbart (sorry, den Witz  kann  ich mir nicht verkneifen). Beim anschließenden Q&A, also Frage&Antwort-Gespräch, plaudert er ein wenig über die Produktion, und es scheint, als hätten sie beim Drehen echt viel Freude gehabt. Merk ich mir.

Schock ! – und ein peinlicher Moment

„Schock-Kein Weg zurück“ ist die gemeinsame Regie-Arbeit von Dennis Moschitto und Daniel Rakete-Siegel, einem früheren Absolventen der Internationalen Filmschule in Köln. Die Beiden haben einen Neo-Film Noir gedreht, so ziemlich im Dunkeln. Das berichten sie voller Emphase in einer Panel-Reihe mit dem schönen Titel: Filmmakers live! Auf dieser Veranstaltung im Rahmen des Filmfestes in München kann man die Macher und Macher: Innen der Werke, wenn schon nicht persönlich kennenlernen, so doch wenigstens zu ihren Oeuvre befragen. Sie werden von Journalisten in 45-minütigen Interviews befragt. Im Fall von „Schock“ beteiligt sich das Publikum allerdings sehr rege an der Diskussion. Es geht um den Arbeitsprozess („nur eine Probe“), das Licht („fast zehn Minuten im Dunkeln gedreht“,), oder auch die benutzte Anzahl und Qualitäten der jeweiligen Kameras. Wir, eine Agenturkollegin und ich, die dieses Panel dank geliehener Akkreditierungskarten aufsuchen durften, spitzen die Ohren, wenn es auch um den Prozess der Postproduktion geht und wie sehr ein Film doch auch im Schnitt entsteht. Die beiden Regisseure, sowie der „Editor“, haben sich 18 Wochen lang in einer Kölner Wohnung „eingeschlossen“, um das Werk zu vollenden, und haben alles gemeinsam entschieden. Das ist faszinierend. Die Panel-Diskussion wurde in Bild und Ton festgehalten, was mir einen peinlichen Moment bescherte. Dass wir zu spät zum Beginn eintrafen, war weniger das Problem, denn wir wurden durch einen Hintereingang eingelassen und setzten uns auch gleich auf die letzte Bank. Was eher ein Problem war, war das Herunterfallen meines leeren Brillenetuis. Ihr glaubt gar nicht, wie laut so etwas sein kann.

Jugendherbergen – besser als ihr Ruf.

Zuletzt gibt es noch zu berichten, dass ich in der neu gebauten Jugendherberge „München-City“ wohnte. Sie ist noch nicht fertig. Überall nackter Beton und Flatterband, aber das, was fertig ist, sieht aus wie irgendetwas zwischen Kunsthalle und Raumschiff Enterprise. Die Stühle sind moderne Abwandlungen des „Monobloc“ aus einem gräulichen Guss (und ich meine hier die Farbe). Sanfte Linien, von Neon-LED`S gerahmt,  durchziehen die Wandelhalle des Eintrittsbereiches, der loungeartige Sitzmöbel bereitstellt. Die Toiletten stehen deren in Mittelklassehotels in nichts nach, genauso wie die Bäder mit Duschen. Es gibt vernünftiges Frühstück und das Personal ist inklusive Nachtwächter sehr freundlich. Klar, dass hier schon jede Menge Jugendgruppen unterwegs sind und ihr Unwesen treiben. Multi-Nationaler und diverser, als das zu meiner Jugendzeit der Fall war, habe ich mit denen aber durchweg gute und ruhige  Erfahrungen gemacht. Sie spielen Karten und suchen teils sogar Kontakt zu „alten, weißen Männern“ wie mir. – Ich habe mir, seit ich verstärkter in dem Film,- und Fernsehszene unterwegs bin, zur Gewohnheit gemacht, in Jugendherbergen des deutschen Jugendherbergswerkes abzusteigen. Der Jahresausweis ist mehr als günstig, und die Qualität passabel. Wenn es unangenehm ist in einem Mehrbettzimmer zu schlafen, so gibt es, je nach Verfügbarkeit, auch die Möglichkeit, ein Einzelzimmer zu buchen. Ich kann es also nur empfehlen.

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